Albert Baehny
Der Familienmensch mit hoher Risikobereitschaft

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Der Familienmensch mit hoher Risikobereitschaft

«Es war eine bewusste Entscheidung», sagt Albert Baehny zu seinem Entscheid, den CEO Posten bei Geberit an einen Nachfolger zu übergeben und sich aufs Verwaltungsratspräsidium zu konzentrieren. Er hat den Sanitärtechnikkonzern in den letzten elf Jahren massgebend geprägt und stets weiterentwickelt. Ein wichtiger Schritt dazu war 2012 die Aufnahme von Geberit in den SMI. Das brachte dem Unternehmen noch mehr Präsenz in den internationalen Märkten und mehr Anerkennung. Albert Baehny spricht von einem positiven Stolz. Alle hätten gemerkt, dass sie gut gearbeitet haben. Er selbst bekam nun öfters Anfragen für Präsentationen sowie für Podiumsdiskussionen. Mit einem Lächeln sagt der Westschweizer, dass es ihm zudem ein bisschen mehr Arbeit bescherte. Diese Zeiten sind nun vorbei.

Seit er Ende 2014 den CEO Posten bei Geberit an seinen Nachfolger übergeben hat, bleibt mehr Zeit für seine Familie. Doch wer denkt, er konzentriere sich nur auf das VR-Präsidium, der liegt falsch. Geplant war eine kleine Pause, doch es kam anders. Denn nahtlos stürzte er sich ins nächste Abendteuer und wurde CEO bei Regent, einem Spezialisten für komplexe LED-Lichtsysteme. Er meint: «Ich liebe Herausforderungen. Ich muss meine Komfortzone immer wieder verlassen und stelle mich neuen Herausforderungen.»

Sein Ziel war es, nicht mehr 60 Stunden plus zu arbeiten, sondern  weniger. . Immer wieder aufs Neue bei null anfangen. Eine Konstante in seiner Karriere bis heute. Der Familienmensch streicht heraus, dass er alle Schritte mit seiner Frau besprochen hat. Denn er ist sich bewusst, am Ende bleibt nur die Familie. Albert Baehny erzählt gerne, hat viel zu erzählen und unterstreicht seine Aussagen oft mit Beispielen. Trotz all seinen Erfolgen ist er bodenständig geblieben. «Ich fahre keinen Porsche oder Mercedes der Extraklasse. Ich habe nie einen Chauffeur gehabt. Das passt nicht zu mir. So wurde ich nicht erzogen.»

Auf der Suche nach Talenten

Doch zurück zu der Zeit, als er noch der operative Chef bei Geberit war. Für sein Wirken im Geschäftsjahr 2014 erhielt Albert Baehny drei Goldpins sowie einen silbernen im Obermatt Ranking 2015. Gold bekam er in den Kategorien Kombinierte Leistung, Operative Leistung und Investment-Leistung. Im Ranking für die Wachstums-Leistung wurde er mit einem silbernen Pin ausgezeichnet. In seinen zehn Jahren als CEO hat er den Sanitärtechnikkonzern zu dem entwickelt, was er heute ist. Ein Konzern, der weltweit präsent ist und international bekannt ist. Er hat die Führungsebene verschlankt, die Entscheidungswege verkürzt und das Unternehmen an die Börse gebracht. Geberit betreibt eine Kultur ohne Politik. Das ist dem heutigen Verwaltungsratspräsidenten sehr wichtig. Er war und ist stets auf der Suche nach Talenten die ins Unternehmen passen. Einen 20-Jährigen behandelt der Westschweizer gleich wie einen 50-Jährigen. Er will aus jeder Person das Maximum herausholen. «Ich erwarte von einem Mitarbeiter, der bei Geberit bleiben möchte, den Willen und die Lust sich gemeinsam mit dem Unternehmen weiterzuentwickeln und bereit ist, die Komfortzone zu verlassen. Das gilt für jüngere Leute genauso, wie für ältere.» Der 64-Jährige spricht beim Umgang mit Talenten von drei Schritten. Zuerst muss das Talent entdeckt werden. Meist seien Talente sehr egoistisch und hätten das Gefühl, bereits alles zu können. Einem Talent in einer bestimmten Abteilung sagt Albert Baehny nach zwei Jahren im Unternehmen, er müsse jetzt wieder zum Student werden. Fragt, ob er bereit sei, wieder zu lernen und schickt beispielsweise eine Finanzkraft in den Vertrieb nach Deutschland. Die meisten Fachkräfte seien dazu nicht bereit und lehnten ab. «Der Punkt ist, dass ein Talent auch lernen muss, zu gewinnen. Ein Roger Federer lernt Tag für Tag.» Nach dem Talent kommt die zweite Etappe: Der Student. Das gelte für Personen von allen Altersgruppen. Hier braucht es nach Baehny den Willen und die Lust, lernen zu wollen. Anschliessend kommt die dritte Etappe. «Ich prüfe die Leute in kritischen Situationen. Anders gesagt: Ich kontrolliere, ob die Talente in einer schwierigen Situation in der Lage sind, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Und erst dann ist jemand bereit, eine Führungsposition zu übernehmen.

Das Leben als Verwaltungsratspräsident

Hungrig sein, aber gleichzeitig Bodenständigkeit und Bescheidenheit beweisen, Risikobereitschaft, Willenskraft, Führungsqualitäten und Charisma. Das sind Eigenschaften, die Albert Baehny bei Mitarbeitern sehen will. Der Verwaltungsratspräsident der Geberit verlangt dieselben Werte auch von seinen Verwaltungsratskollegen. Er bezeichnet die Institution Verwaltungsrat als Mosaik und sieht das Mosaik als eine Reflexion der Gesellschaft. Zudem gesteht er, dass er Wissen sucht, Wissen, wo er noch Defizite sieht. Das Wichtigste ist für ihn in einem Verwaltungsrat, frei reden zu können. Jeder soll relevante Fragen stellen können. In dem zeige sich die Qualität des VR, aber er betont, dass der Ton stimmen müsse. Zu Abstimmungen vertritt der Verwaltungsratspräsident eine klare Meinung. Er hasst sie. Das mache er nie, das sei nicht sein Stil. Wenn zu einem wichtigen Punkt keine einstimmige Einigung erzielt wird, vertagt er den Entscheid lieber. Alle sollen ihre Gedanken neu sortieren und es wird erst beim nächsten Meeting zwei Monate später entschieden.

In solchen Aussagen zeigt sich die langjährige Erfahrung von Albert Baehny. Seine Karriere hat ihm einige Herausforderungen beschert. So wurde er beispielsweise zu Beginn seiner Karriere nach Deutschland in den Vertrieb geschickt. Er, der in Payerne aufgewachsene Junge, mit schlechtem Deutsch, wie er selbst sagt. Doch es sei die Schule seines Lebens gewesen.

Nun, Jahrzehnte später, profitiert er von dieser Schule des Lebens. Er wohnt seit Jahren in der Deutschschweiz und hat eine deutsche Frau. Für sie hat er endlich mehr Zeit. «Früher habe ich jedes Wochenende 10-12 Stunden gearbeitet, heute reichen 4-6 Stunden. Ich kann jetzt während der Woche abends etwas mit meiner Frau unternehmen. Diese Zeit hat früher gefehlt. Da muss ich fair und ehrlich sein. Ich hatte früher am Abend weder die Lust, noch die Kraft, auszugehen. Die Balance zwischen Arbeit und Familie ist jetzt sicher besser.»

Martin Schneider, CEO der BRAINFORCE AG: Was bedeutet die Familie für Sie?

Die Familie ist für mich das Wichtigste. Ich habe zwar viel geopfert, aber immer alles mit meiner Frau diskutiert und die Grenzen erkannt. Ich habe gemerkt, wenn ich kaum mehr zu Hause war. Ich wusste, falls ich in der Berufswelt einen grossen Faux-pas machen würde, bleibt am Ende nur die Familie. Deswegen ist mir die Familie wichtiger als meine Karriere.

Wie gehen Sie persönlich mit Herausforderungen um?

Ich liebe Herausforderungen. Ich weiss, es klingt arrogant, aber ich liebe und brauche Herausforderungen. Erstens, kann ich eine Aufgabe nie alleine bewältigen. Herausforderungen sind für mich Teamarbeit. Und zweitens, sind sie sehr motivierend. Ich sehe Herausforderungen als Chancen etwas Neues zu lernen.

Wie viel Risikobereitschaft steckt in Ihnen?

Ich kann persönlich nicht leben, ohne Risiken einzugehen. Ein Unternehmen kann das langfristig gesehen auch nicht. Meine Karriere ist eine Serie von Risiken, weil ich immer wieder eine gute Firma verliess, wo ich mich wohlgefühlt hatte. Ich wechselte die Stelle, musste bei null beginnen und mich neu beweisen. Meine Karriere ist geprägt durch Risikobereitschaft.

Und wann sind Sie euphorisch?

Nie. Wenn ich in einem Unternehmen Euphorie spüre, interveniere ich sofort, denn Euphorie ist sehr gefährlich. Man hat das Gefühl, besser zu sein als alle anderen und alles zu können. Man sieht weder Gefahren, noch Risiken. Ich strahle Motivation aus, kann die Leute genauso motivieren wie mich, aber euphorisch bin ich nie. Wenn ein Team oder eine Person euphorisch ist, bedeutet das für mich die Alarmglocke.

Sind Sie zwischendurch zu Tode betrübt?

Ich kann behaupten, dass mich in meiner gesamten beruflichen Laufbahn nie eine Person schlecht gelaunt gesehen hat. Es ist falsch, wenn sich ein Chef so mächtig fühlt, dass er sich schlecht gelaunt im Unternehmen zeigt.

Ein Journalist hat 2004 folgenden Satz zu Ihnen geschrieben: «Er plaudert nicht ungerne, doch Monologe zu halten, ist definitiv nicht seine Art.» Einverstanden?

Einverstanden. Wenn ich präsentiere, bin ich selbst erstaunt, wie kurz und prägnant ich bin. Bei Interviews komme ich schnell auf den Punkt. Ich sage auch zu meinen Kollegen, wenn sie mir sagen möchten, dass ich mich geirrt habe, dann sollen sie das im ersten Satz. Ich will es nicht herauskitzeln müssen.

Positivste Überraschung:
Als ich in meiner Anfangszeit bei Dow Chemical war, schrieb ich für meinen Chef eine Präsentation, die er seinem globalen Vorgesetzten präsentieren musste. Als er Lob für die Präsentation erntete, schrieb er seinem Big Boss einen Brief, in dem stand, dass das Lob für die Präsentation mir gehöre, da sie von mir stamme.

Grösste Enttäuschung:
Leute, die keine Ethik haben und die in der Lage sind, Kollegen schlecht zu machen. Leute, die nicht den Mut haben, zu ihren Fehlern zu stehen.